Corona und Tourismus: Die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen prognostiziert einen Reiseeinbruch um 80% im Vergleich zum Vorjahr. Keine Branche wurde ähnlich hart vom Virus getroffen wie der Tourismus.
Jetzt wurde zumindest dem innereuropäischen Tourismus wieder Leben eingehaucht, wie die Kunden die Angebote annehmen bleibt abzuwarten. Wir haben mit Stefan Brill, einem der Gründer der weltweit agierenden Pure Surfcamps unterhalten und mit ihm über staatliche Hilfspakete, neue Hygieneregeln zur Wiedereröffnung, die größte Herausforderung während des Lockdowns und warum es in Frankreich und Portugal momentan sicherer ist als in Bayern gesprochen.
Das erste Mal mit Corona konfrontiert
Spätestens zur ISPO 2020 war Corona bzw. Covid-19 ja schon vielen ein Begriff. Habt Ihr annähernd eine Vorstellung von dem gehabt, was da auf euch in der Reisebranche zurollt?
Wir haben das schon eine Weile beobachtet und waren gespannt was da noch kommt, aber das es so kommt, hat glaube ich keiner erwartet. Dass praktisch der weltweite Tourismus zum kompletten Stillstand kommt, hat es glaube ich noch nie gegeben. Das ist so der Wahnsinn gewesen, von einem auf den anderen Moment kompletter Stillstand und Schockstarre bei allen. Die Telefonakkus liefen heiß, aber keiner hatte einen Plan.
Wusstest du, dass 6.9 % der Jobs in Industrieländern direkt (indirekt noch sehr viel mehr) am Tourismus hängen?
Ja, das sind allein in Deutschland ca. 3 Millionen Jobs, in unseren europäischen Nachbarländern noch viel mehr! Wenn man die indirekten Jobs mit einbezieht, dann ist es ein unglaublicher Teil. In Portugal macht der Tourismus, Hotel und Gastgewerbe mehr als 20% vom BIP aus – das ist wirklich viel. Deswegen war es auch so wichtig, dass die EU die Reisewarnung für den Schengenraum aufhebt. Was sie ja zum Glück rechtzeitig eingesehen und getan haben.
Corona trifft den Tourismus am Freitag den 13. mit voller Härte
Was war speziell für Euch als Reiseunternehmen die größte Herausforderung?
Das Ganze kam ja sozusagen über Nacht. Ab Freitag den 13.03. hatten wir einen kompletten Umsatzeinbruch von 100%. Von heute auf morgen vom Normalbetrieb auf kompletten Stillstand. Also null Umsatz bei gleichbleibenden Betriebskosten. Dazu kam dann noch die Rückabwicklung der Kunden und die Rückholaktionen der Kunden aus z.B. Marokko.
Das war schon ganz schön krass.
Man hat auf einmal mehr Arbeit also sonst, weil alle Kunden anrufen und Fragen stellen, die man nicht beantworten kann, hinzu kommen Stornos usw. Das war echt der Wahnsinn. Es hat etwas gedauert und dann haben wir uns nur noch mit Rechenmodellen beschäftigt, was wir tun müssen, um das Ganze zu überleben.
Jeden Tag eine neue Situation, eine neue Pressemeldung oder irgendwelche Hiobsbotschaften aus der Presse. Das war krass, die Zukunft komplett ungewiss. Wir hatten keine Ahnung, wie, wann oder ob es weitergeht, was mit der Firma passiert, etc. Ab April hatten wir ca. 20 von 26 festangestellten Mitarbeitern in unserem Münchener Office in Kurzarbeit geschickt. Das selbe im Büro in Sagres. Aktuell immer noch einige, aber so langsam geht’s wieder los.
Stichpunkt Corona-Hilfe: Habt ihr euch vom Staat ausreichend unterstützt gefühlt?
Also generell muss man sagen, dass der Staat in Deutschland schon gut und schnell gehandelt hat. Es sind zwar einige Sachen zu bemängeln, aber das ist normal glaube ich (zu meckern gibts immer was). Egal ob Kurzarbeitergeld, ein Kredit oder die Soforthilfe. Es ist einiges passiert und auch ziemlich schnell, wenn man die Volumen bedenkt.
Klar, dem kleinen touristischen Mittelstand wurde nicht wirklich speziell geholfen, aber wir sind mit dem was wir bekommen haben bis jetzt ganz gut durch die Krise gekommen. Ich kann das ganze Gemecker auch nicht mehr hören. In anderen Ländern ist es anders gelaufen. Ich höre ständig Leute die sich über die Lufthansa oder TUI Rettung beschweren, aber da sollte man jetzt ganz genau überlegen, was mit dem Tourismus passiert, wenn die größten Airlines nicht mehr oder nur noch zur Hälfte vorhanden sind. Das ist ungefähr so, wie wenn man dem Tourismus den Herzschrittmacher raus nimmt. Dass Gäste in Länder reisen können ist die Grundvoraussetzung für den Tourismus.
Dadurch können wir als deutsche GmbH existieren, das kleine Guesthouse in Portugal und alles was da noch so dran hängt: der Hausmeister, der Koch, die Reinigungskräfte, der Typ der den Pool reinigt, der Shuttleservice, die Surfschule, der Surfshop vor Ort und vieles weitere. Wenn wir keine Flüge mehr haben, dann geht touristisch nichts mehr. Das ist dann eine Katastrophe für die gesamte “Touristische Nahrungskette”!.
Ihr öffnet am 27.6.2020 wieder die Pforten in euren französischen Camps. Wie sieht es mit euren Camps in Marokko, Spanien und Portugal aus? Was macht ihr in Sachen Hygiene?
Wir haben in Portugal Anfang Juni eröffnet und Frankreich jetzt Ende des Monats. In Portugal haben wir unser Häuser in Sagres, Caparica & Ericeira als “Clean & Safe” zertifizieren lassen. Die laufen wie gesagt aktuell schon. Das Konzept kann man sich auf der Website ansehen. Das Wichtigste ist, dass wir alle auf Hygiene & Abstand achten. In geschlossenen Räumen ist das tragen einer Maske Pflicht.
In Portugal hat sowieso jedes Zimmer sein eigenes Bad, das Essen wird nun serviert und es gibt keine Buffets mehr. Selbstverständlich tragen alle Mitarbeiter, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, Handschuhe und Maske. Wir reinigen alle Zimmer einmal täglich. Für die Surfschule gibt es spezielle Standards. Neu als Service von uns ist jetzt, dass jeder wählen kann, ob er er einen Verleih-Wetsuit bekommen möchte oder seinen eigenen, den er danach mit nach Hause nimmt.
Corona-Hygieneregeln Frankreich
In Frankreich gilt für das Essen genau das selbe. Dazu gibt es bestimmte Betriebszeiten für die Miniramp & Boulder Wall, wo die Gäste sich vorher eintragen müssen. Generell haben wir in Frankreich die Kapazität um bis zu 50% gesenkt und wer unser Campareal kennt, weiß, dass man dort genug Platz hat! Wir werden sehen wie es läuft und dementsprechend agieren. Ich denke aber, dass es gerade nichts besseres gibt als Urlaub in nem Surfcamp. Man ist den ganzen Tag draußen an der frischen Luft, hat viel Platz und im Wasser mit dem Surfbrett hat man auch genug Abstand zu anderen. Der Strand in Moliets ist riesig und man kann ganz easy mit dem Auto anreisen.
Covid-19 ist schon gefühlt Alltag geworden und bis es einen Impfstoff gibt werden wir uns wohl alle an gewisse Regeln halten müssen. Wie seht Ihr die Zukunft des Surf-Tourismus?
Puh, das ist schwer zu sagen! Ich denke, dass wir in den nächsten Jahren eine noch größere Nachfrage auf Mittelstrecke-Destinationen haben werden. Da braucht man sich generell nicht soviel Gedanken um medizinische Versorgung im Ernstfall machen und man kommt immer irgendwie nach Hause.
Die Leute werden sich überlegen, ob sie nicht lieber einfach nach Marokko oder Portugal fliegen, anstatt nach Bali oder auf die Philippinen. Wenn Du da fest hängst, dann hast Du ein Problem.
Normalerweise finden die meisten Sommerbuchungen im Frühjahr des gleichen Jahres statt. Die große Buchungswelle blieb dieses Jahr aufgrund der Pandemie aus. Kann die Saison jetzt noch gerettet werden?
Ja, schauen wir mal. Das was wir verloren haben werden wir wohl nicht mehr aufholen, aber darum geht es uns auch nicht. Wir sind happy, dass wir unseren Gästen wieder etwas Gutes sowie qualitativ hochwertiges anbieten können und machen das Beste draus.
Ich glaube das wird dieses Jahr ein krass emotionaler Sommer, weil wir und die Gäste auch viel mehr zu schätzen wissen werden, was wir da machen. Reisen & Surfen ist ein besonderes Privileg und da es für viele von uns zur Normalität geworden war, hat man es so auch nicht mehr zu schätzen gewusst. Wir freuen uns auf jeden einzelnen Gast und jeden Tag am Strand.
Ich fahre Morgen nach Frankreich und freue mich wie ein kleines Kind darauf! Wir werden unsere Camps dieses Jahr auf einen komplett neuen Standard heben und freuen uns auf jeden der kommt. Klar, es wird Einschränkungen geben und wir werden voraussichtlich keine Ausflüge zum feiern ins Rockfood oder nach San Sebastian anbieten, aber dadurch können wir den Fokus noch mehr auf Surfen legen. Seit dem letzten Jahr haben wir ja neben der riesigen Miniramp auch noch ein eigenes Outdoor Fitness Studio, tägliche Yoga Sessions und eine Boulder Wall. Also gibt es genug zu tun und den Gästen wird garantiert nicht langweilig!
Oliver Lackmann, Chef von Tui Fly, sagte kürzlich, die Menschen können sich in Deutschland genauso anstecken wie in Spanien, insofern sehe er keinen Anlass, weiterhin Flüge zu stornieren. Eine legitime Sicht der Situation?
Das sehe ich absolut genauso wie Herr Lackmann. Wir haben aktuell weit mehr Corona-Fälle hier in Bayern als z.B. an der Algarve in Portugal oder der Aquitäne in Frankreich. Wenn Du mich fragst, wo ich im Sommer lieber sein will: In einem Freibad oder am See in München, Düsseldorf oder Hamburg oder am riesigen Atlantikstrand von Moliets Plage, dann muss ich nicht lange überlegen. Die Antwort ist einfach!
Ich werde übrigens den Sommer mit meiner Frau und unseren 3 Kindern in Moliets in unserem Familiensurfcamp verbringen. Wir nutzen dann auch das Betreuungsangebot für die Kinder und gehen surfen. Danach geht’s an den Strand und da ist für alle was dabei und es gibt garantiert genug Platz für Social Distancing. Mein Geschäftspartner Christian wird mit seiner Familie in unserem neuen Familien Surfcamp in Biscarosse sein.
Wart ihr als großes Surfcamp kleineren Camps gegenüber im Vorteil während der Krise?
Nein, das sehe ich nicht so. Kleinere Anbieter haben in solchen Situationen durchaus einen Vorteil. Wenn Du ein Surfhaus betreibst, kannst Du halt einfach mal schnell alles auf “On Hold” pushen. Wenn Du aber in Europa 30-40 Festangestellte hast, mehrere Büros und so weiter, dann laufen die Kosten eben weiter und Du kannst es nicht so schnell stoppen.
Die Höhe der monatlichen Fixkosten spielt da eine große Rolle. Klar, wir haben wirklich gute Mitarbeiter im Büro und da kommen sehr viele gute Ideen und man findet einen Weg. Es ist schwer zu sagen, aber ich glaube, dass nach der Krise alle europäischen Surfcamps & Surfhäuser die gut sind, dauerhaft gewinnen werden und der internationale Markt noch mindestens 1 -2 Jahre braucht, bis es wieder richtig los geht.
Was würdest du Menschen raten, die sich momentan unsicher sind eine Reise zu buchen und worauf sollten Sie achten?
Es sollte sich jeder gut überlegen was er will! Wenn jemand einen tropischen Urlaub unter Palmen geplant hat und das jetzt nicht mehr machen will, dann sollte er sich überlegen, ob es einen Kompromiss gibt. Vielleicht findet er auch wo anders gute Wellen und in Boardshort surfen, geht ja auch zum Glück im Sommer in Europa.
Achtet darauf, dass der Veranstalter seine Hygienemaßnahmen veröffentlicht hat und schaltet euren Kopf ein, wenn ihr vor Ort seid. Dann wird es schon passen. Ausdrücklich empfehlen würde ich auf den Abschluss einer Premium Reiserücktrittsversicherung. Das sollte man immer tun. Wie gesagt, ich reise wieder und nehme auch Kinder und Familie mit, aber das muss jeder selber wissen!
Habt ihr bei allen negativen Seiten auch etwas Positives aus der Situation gewinnen können?
Es ist einiges passiert in der Lockdown-Zeit. Wir haben viel auf uns selbst als Reise-Surfmarke geschaut und haben uns dazu entschieden, in Zukunft etwas zu verändern. Wir wollen uns in Zukunft zu 100% auf unsere eigenen Produkte fokussieren.
Das bedeutet, dass wir die Partnercamps über eine neue Vertriebsmarke verkaufen und bei Pure nur noch unseren eigenen Produkte in Frankreich, Portugal, Marokko, usw. – sozusagen gesund verkleinern und noch mehr Fokus auf Qualität und Nachhaltigkeit.
Wir wollen noch mehr in diese Produkte investieren sowie alles noch nachhaltiger machen und die gesamte Qualität und den Service weiter verbessern. Wir haben ja in den meisten Häusern z.B schon upgecyclete Designermöbel aus Treibholz, Photovoltaik für Warmwasser, Filtersysteme für Trinkwasser, Plastikvermeidungskonzepte, etc. Das wollen wir in Zukunft alles noch weiterausbauen.
Es wird auch einiges Neues geben: Die Surfvilla in Ericeira, ein Luxus Surfhaus in Hossegor /Cabreton, ein Hostel in Seignosse Estagnots, ein Boutique Surfhotel in Marokko und vieles mehr – lasst Euch überraschen!

Wir haben außerdem gelernt – und das ist das Wichtigste – eine echte Krise zu meistern und das wenn es darauf ankommt, wir unserem Team zu 100% vertrauen können.
Der Einsatz und Wille jedes einzelnen Mitarbeiters Puresurfcamps am Leben zu halten, hat uns gezeigt, dass die Firma weit mehr für jeden Einzelnen ist, als reine Existenzsicherung.
Der Spagat zwischen Kurzarbeit, Home Office und Gehaltsverzicht wurde ohne Klagen erfolgreich umgesetzt. Nur so sind wir voll handlungsfähig geblieben. Wir sind sehr dankbar und stolz auf das Team und werden zusammen noch einiges bewegen. Und hoffentlich bald wieder zusammen die Wellen genießen. DANKE LEUTE hier nochmal von Christian und mir!
Eine ausführliche Bewertung zum Puresurfcamp 24+ in Moliets lest ihr hier: https://prime-surfing.de/en/surfcamp-fuer-erwachsene-67298-pid67298/
Gutes Interview, congrats!
Ich freu mich schon riesig auf das Puresurfcamp in Moliets, auf das Surfen und die ganze Crew. Ich habe bisher nur positives gelesen/gehört!