Kepa Acero kommt aus einem kleinen Ort zwischen Mundaka und Bilbao im spanischen Baskenland. Früher surfte er Contests, doch heute ist er bekannt als der Surfabenteurer Europas, der an den entlegensten Ecken der Welt nach neuen Wellen sucht.
Interview: Kepa Acero
Dieser Artikel erschien in unserer Printausgabe Prime Surfing #12.
Interview: Melanie Schönthier Fotos: Chris McClean
Wir trafen den 37-Jährigen, der ausgemergelt wie ein Marathonläufer wirkt, während des Quik Pro France in Hossegor in einer Weinbar. Kepa wollte dennoch einen Kaffee bestellen, weil die Wellen am nächsten Tag gut sein sollten und er fit sein wollte. Als es den nicht gab, gönnte er sich doch ein Bier.
Eine lange Narbe an seinem Hals zeugt noch von Kepas Unfall vor fast einem Jahr, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte, doch dazu später mehr.

Was war deine größte Entdeckung?
Die beste Welle meines Lebens fand ich in Afrika. Ich hatte Bilder von dem Ort gesehen und kam dort an, als es nur kleine Wellen hatte. Aber da dachte ich schon, dass es ein guter Spot sein könnte. Also bin ich ein Jahr später wieder hin und schlief dort eineinhalb Monate in meinem kleinen Camp und wartete. Dann versprach die Vorhersage einen guten Swell. Aber irgendwie wollte der nicht ankommen.
Es war noch vollkommen flach am Nachmittag, und langsam kamen Zweifel in mir auf. Dann wurde es dunkel, und als ich um 5.30 Uhr morgens die Augen wieder aufmachte, sah ich die Lines und Barrels – perfekt, eine nach der anderen.
Der Anblick war einfach nur magisch. Es gibt auch jetzt Tage, an denen ich die Forecast checke und weiß, dass dieser Spot läuft und niemand dort surft. Das macht mich dann so nervös, dass ich bei dem Gedanken nicht einmal schlafen kann. Es ist aber superhart, dorthin zu kommen. Zuerst das Visa bekommen, was ein Alptraum ist.
Das dauert echt ewig. Dann ist es weit. Vom Flughafen dauert es noch vier Tage, um ans Ziel zu kommen, und ein Auto zu mieten ist auch extrem teuer. Man muss also schon eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen. Mehr verrate ich aber nicht, nicht einmal, ob der Spot an der Ost- oder an der Westküste liegt.
Auch Surfpros haben Angst
Was würdest du als deinen größten Rückzieher bezeichnen?
Ja, das war wohl auf Panaitan Island, einer Halbinsel in Indonesien. Ich war alleine unterwegs und hatte ein Boot gechartert, um One Palm Point zu surfen. Eine supertechnische, superseichte, superhohle Welle. Dann drehte aber der Wind, und ich wusste, dass der Spot Apocalypse in der Bucht gegenüber nun Offshore haben müsste. Also habe ich dem Bootsfüher gesagt, dass ich rüber will.
Ich saß im Boot, und Apocalypse sah schon von weitem so heftig aus, dass ich mir fast in die Hosen machte. Dann kamen wir näher und näher, und es waren echt heftige 10-Fuß-Barrels, die absolut perfekt vor mir brachen. Es war auch kein anderer Mensch in Sichtweite, und mit dem Boot konnte man so nah ranfahren, dass mir der Spit aus den riesigen Tubes ins Gesicht blies.
Ich bin nicht surfen gegangen. Es war so heftig, zu heftig für mich, und einer dieser Momente, in denen man denkt: Wenn du ins Wasser gehst, könntest du das später bereuen, aber wenn du nicht reingehst ebenso. Ich bin nicht ins Wasser und werde den Anblick dieser Wellen wohl nie vergessen.

Das größte Aha-Erlebnis?
Früher habe ich noch Wettkämpfe bestritten, aber das war irgendwann nichts mehr für mich. Also ging ich auf einen Solotrip. Meine Sponsoren fragten nur, wie ich mich selber filmen wollte, wenn ich doch ganz alleine war. Ich hatte keine Antwort, bin aber trotzdem einfach aufgebrochen. Manchmal baute ich meine Kamera am Strand auf und musste dann direkt davor surfen. In der Nacht habe ich dann den Clip hochgeladen, und als ich am nächsten Morgen in der Wüste aufwachte, hatten ihn 50.000 Leute gesehen. So war mein Konzept geboren.
Der größte Anfängerfehler?
Einer meiner ersten Trips führte mich nach Angola. Die Städte da sind verrückte Plätze. Eine schwierige Situation mit vielen Verbrechen und enormen Spannungen in einer Gesellschaft, die seit 15 Jahren quasi im Kriegszustand lebt. Und dann kommt da ein Weißer und sucht zum Spaß nach Wellen.
Da kann man leicht zum Ziel werden, wenn alle anderen um ihre Überleben kämpfen. Und genau dort musste ich auf der Straße schlafen, weil ich mich um keine Übernachtungsmöglichkeit gekümmert hatte.
Meine Boards versteckte ich so, dass sie keiner sehen konnte, und meinen Rucksack habe ich in einen dreckigen Plastiksack gepackt, damit alles so heruntergekommen wie möglich aussah. Mir ist nichts passiert, und abseits der Städte gab es Wellen, vielleicht ein paar der besten meines Lebens. Da surft auch einfach niemand.
Das sind Gegenden, wo noch keiner überhaupt je einen Surfer gesehen hat. Wenn die dann den ersten Ritt sehen, denken die, dass man über Wasser laufen kann und flippen vollkommen aus. Tatsächlich waren bisher auch die einzigen Menschen, die mich in Afrika bestohlen haben, Polizisten.
Ich landete noch nie im Knast, aber sie haben mir viel abgenommen: Geld, Sonnenbrille… Afrika ist schwierig in Sachen Polizei.
Wo wurde die Natur selbst zum größten Gegner?
Die lebensfeindlichste Umgebung? Ja, das war sicher die Antarktis oder Alaska. In Alaska war ich mit einem Freund unterwegs und an einem Tag wären wir fast im Treibsand gestorben. Wir waren schon lange unterwegs und marschierten durch die Wildnis.
Da merkten wir plötzlich, dass wir im Boden versanken. Von da an durften wir nicht eine Sekunde stehen bleiben, sondern mussten immer in Bewegung bleiben. Schon wenn man nur etwas langsamer wird, beginnt man sofort zu versinken.
Das war so brutal anstrengend, eineinhalb Stunden so schnell es geht durch den Sand vorwärts kämpfen. Einmal drehte ich mich um und sah, dass mein Freund schon weit zurückgefallen war. Ich dachte, er schafft es nicht.
Aber am Ende ging alles gut aus. Es ist unglaublich, zu welchen Leistungen der Mensch fähig ist, wenn es ums nackte Überleben geht. Lustigerweise waren wir auf dem Trip auch auf alles vorbereitet gewesen. Wir hatten sogar Gewehre dabei, falls wir einem Bären begegnen würden, aber mit Treibsand haben wir nicht gerechnet.

Kepa Acero: ein Getriebener
Deine größte Enttäuschung?
Das war ein Trip in Mauretanien, wo ich zwei Tage zu einem Spot mitten in der Wüste unterwegs war. Am Ziel konnte ich die Miniwellen perfekt brechen sehen, aber sie waren einfach zu klein, um sie zu surfen. Gefunden habe ich den Spot per Google Earth. Das ist meine größte Leidenschaft – Wellen zu finden, die kein anderer kennt. Aber das erfordert eben auch eine Menge Arbeit und Mühen, bis man endlich da ist und surft. Mich lassen meine Secret Spots auch nicht mehr los.
Ich checke jeden Tag die Forecasts rund um die Welt und sehe, welcher Spot gerade funktioniert. Aber das ist nicht gesund, weil man immer nur denkt, was man gerade verpasst.
Die größte Herausforderung in letzter Zeit?
Wahrscheinlich die Hebriden, diese Inselkette vor Schottland. Da war ich zum ersten Mal. Ein totaler Naturflash. Aber ich war per Fahrrad unterwegs. Schon am ersten Tag: Regen, Wind und die Erkenntnis, dass es hart werden würde.
Ich saß auch seit sieben Jahren nicht mehr auf einem Rad und dann gleich etliche Kilometer in zehn Tagen nonstop. Schwierig war, dass ich manchmal einen Spot checkte, dann sah, dass er nicht funktioniert und auf die andere Seite der Insel zurückfahren musste. Manchmal war ich vom Biken tatsächlich zu müde, um zu surfen.

Die größte Tube in letzter Zeit?
Direkt nach den Hebriden auf einem Trip nach Sumba in Indonesien. Da war das Ziel, mich nach meinem Unfall wieder in richtigen Wellen wohl zu fühlen. Die Welle dort brach hohl und seicht. Als das erste Set auf mich zukam, sagte eine Stimme in meinem Kopf: „Tu das nicht.“ Aber dann sagte eine andere Stimme: „Tu es.“ Also paddelte ich an, bekam eine gute Barrel, direkt gefolgt von einem Wipeout und einem Schlag aufs Riff.
Mir ist nichts passiert, und ab der zweiten Welle war alles wieder normal, so wie vor meinem Unfall in Mundaka.
Der größte Fehler?
Ich glaube, ich war vor meinem Unfall in Mundaka zu selbstsicher. Es ist eine hohle, heftige Welle, aber ich war dort schon tausend Mal gesurft. Ich habe mir keine Sorgen gemacht, das war der Fehler. An die Situation direkt nach meinem Sturz kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich konnte wohl weder Arme noch Beine bewegen.
Anscheinend konnte ich auch nichts mehr sehen, war also blind. Wahrscheinlich ist es auch besser, dass ich nichts mehr davon weiß. Wenn ich in diesem Moment irgendwo am Ende der Welt ganz alleine gewesen wäre, wäre ich wohl ertrunken.
Aber der Unfall passierte um Weihnachten zu Hause. Vielleicht passieren solche Sachen auch, wenn man denkt, dass nichts passieren kann. Wenn man ganz alleine ist, bedenkt man viel mehr. Man zögert eher, ist vorsichtiger. Daheim, mit lauter Freunden, denkt man nichts Böses. Im Krankenhaus sagten sie auf jeden Fall, dass ich Glück hatte, nicht querschnittsgelähmt zu sein. Drei Wirbel waren gebrochen und eine Bandscheibe war komplett zwischen den Wirbeln rausgerutscht.
Ich habe auch noch ein Stück Titan drin. Es hieß, dass ein paar Bewegungen vielleicht ein bisschen weh tun könnten. Aber mein Körper tut sowieso immer weh, meine Knie, meine Schulter, das ist kein Problem für mich.
Die größte Weisheit?
Es gibt einen Spruch von einem Kletterer, einem richtigen Alpinisten, der die schwierigsten Berge besteigt. Der hatte auf die Frage, warum er das macht, folgende Antwort:
„Du nimmst all diese Mühen und Strapazen auf dich, um da hochzukommen und riskierst dabei auch noch viel. Dann bist du wieder unten, gehst mit deinen Freunden ein Bier trinken und sagst: Wir haben es geschafft.“
Dieses Gefühl ist so gut, dass sich jede Mühe dafür lohnt.
Dieser Artikel erschien in unserer Printausgabe Prime Surfing #12.
Mehr über Kepa erfahrt ihr hier.
Wenn ihr Kepa in Action sehen wollt, dann schaut euch doch seinen Namibia Clip an.