Insight Africa
Der ungeschminkte Tarzan ist ausgestorben. Heute tragen Männer Bärte um hip zu sein, die meisten von ihnen geben wohl mehr Geld für Bartpflege aus als ihre Partnerinnen für Schminke. Früher haben sich Abenteurer und Holzfäller nicht rasiert, weil sie einfach wochenlang nicht in den Spiegel geschaut haben.
Heute werden Bäume maschinell gefällt womit sich der Berufsstand des Holzfällers beinahe erledigt hat, echte Abenteurer gibt es schon lange nicht mehr. Die Rauschebärte unserer Zeit sind Corporate-Publishing-Redakteure oder Investmentbanker, die nach der Arbeit in ihrer Maisonettewohnung Champagner schlürfen und zwei Stunden Bartwichse auftragen, aber sicher nicht erstmal eine Runde eislochfischen gehen und danach mit selbstgefällter Zeder ihre Blockhütte im Wald einheizen, wie dies der Schein vermuten lässt.
Ein Mann, der sich seine Gesichtsmatratze redlich verdient hat ist der Darmstädter Carlo Drechsel. Aber was macht den Mann zum letzten Abenteurer? Ein echtes Abenteuer kann so facettenreich sein wie das Leben selbst. Am Schluss geht es bei einem Abenteuer darum, gegen die Elemente zu kämpfen, seine Komfortzone zu verlassen und das Andere und Unbekannte zu suchen. Carlo hat seine fantastische, gefährliche und wundersame Reise in seinem Buch “Insight Africa” niedergeschrieben. Wir haben ihn zum Interview getroffen.
1. Wer ist Carlo Drechsel?
Inzwischen sogar 31, aus Darmstadt, ich habe zwar mal studiert, schlage mich aber fast jedes Jahr mit etwas Neuem durch.
2.Wie kommt ein Darmstädter aufs Surfbrett?
Die erste, oder älteste Erinnerung, die ich an meine Kindheit habe, stammt aus dem Sommer 1990: Nachdem der schäbige (richtige geile) T2 meiner Großeltern, zum hundertsten Mal auf einer Nordspanischen Landstraße liegen blieb, stellte ich zu meinem Unheil fest, dass ich auch in der zweiten Nacht auf dem harten Babysitz neben meinem kleinen Bruder schlafen werden müsse – mein Arsch schmerzte so sehr, dass dieser Moment sich irgendwie besonders tief in meinem Bewusstsein eingegraben hat.
Von den kommenden Wochen am „Playa de Oyambre”, das heutige Epizentrum des Vanlife’s, damals noch ein ruhiges Idyll, erinnere ich mich heute an nichts weiter. Meine Eltern jedoch gefiel es so gut, das sie seither fast jährlich für mehrere Wochen nach Nordspanien fahren. Lange Rede kurzer Sinn: irgendwann landete ich natürlich auf dem Surfboard.
3. Du surfst für einen Deutschen ein sehr gutes Level, wie kommt das?
Eine gesunde bis ungesunde Besessenheit! Seit dem 12 Lebensjahr bin ich jeden Tag entweder gedanklich, oder wirklich im Wasser – jeden Tag. Ehrgeiz, Leidenschaft, Ego und vor Allem das Surfen als Zufluchtsort haben mich über die letzten 20 Jahre angetrieben.
4. Warum ausgerechnet Afrika?
In dem Vorwort meines Buches sinniere ich genau über diese Frage, welche mich zurück auf die Hafenmauer Tarifas brachte, wo ich 2006 mit ein paar Schulfreunden am Ende einer „Bulli-Odysee“ quer durch Europa stand.
Das halbe Kilo Gras war fast verschwunden, die anderen hatten nach den Wochen des Wahnsinns und des Reisens genug, es zog sie nach Hause. Ich jedoch verspürte die magische Anziehung der Ferne, der Berge und all dessen, was dahinterlag. Sagen. Kinderbücher. Romane. Die Heimat epischer Abenteuer Sven Hedins und des Vaters von Pippi Langstrumpf. Die Klänge exotischer Namen – Timbuktu und Sansibar. Die Sahara, in der Paulo Coelhos Alchemisten aus Scheiße Gold machen, der tiefe, dunkle Urwald des Kongos, das Herz der Finsternis, in dem sich vor Kurtz’ Haustür die Totenköpfe der Eingeborenen stapeln. Ein Ort, so greifbar hier auf der Hafenmauer von Tarifa, und doch unbegreifbar. Alles, was ich verstand, kannte und einzuschätzen wusste, endete genau hier, und das Ungewisse begann genau dort drüben, bei diesen Bergen, der andere Kontinent, von dem ich nichts wusste und der mich gerade deshalb wie magisch anzog, damals wie heute – Afrika.
(Auszug aus dem Buch)
Es ist also nicht nur das unausgeschöpfte Surf-Potenzial der Westküste Afrikas, welches mich auf die Reise befördert hat, sondern auch die Neugier meinen Tellerrand rechts liegen zu lassen und dort hin zu reisen, wovor ich am wenigsten wusste und die meiste Angst hatte.

4. Gibt es Localism in Afrika? (Abgesehen von Südafrika)
Wann warst du das letzte Mal im Anchorpoint? Haha! Immer schwierig, dass so pauschal zu beantworten, ist halt schon ein großer Kontinent. Meist sind die Surfszenen zu klein, als dass der Gedanke überhaupt käme, im Gegenteil.
5.Afrika ist, gemessen an seiner Wellenqualität, das wohl unerschlossenste Surfgebiet der Welt. Die Gründe liegen jedoch auf der Hand: Sharky, Bürgerkriege, schlechte Infrastrukturen, mangelhafte medizinische Versorgung. Haben sich auf deiner Reise Vorurteile bestätigt oder eher entkräftet?
Dass es Haie gibt und Bürgerkriege, das sind ja mehr Fakten als Vorurteile. Ich hatte natürlich krasse Bedenken, mal abgesehen von der Angst, ausgeraubt, ermordet oder gekidnappte zu werden, hieß es die Polizei wäre korrupt, die Leute unverschämt etc. das lässt einen nicht kalt, du wächst gerade in Europa in einer Gesellschafft auf, die diese Gedankenmuster einimpfst, bist du es glaubst. Mal abgesehen, davon, dass die Menschen zum aller größten Teil, wie überall anders auf der Welt, super drauf sind, also hilfsbereit, gastfreundschaftlich und auch die Polizei nicht so schlimm ist wie viele behaupten, herrscht eben nicht überall Bürgerkrieg und Haie gibt es auch nur vereinzelt.

6. Was war deine größte Angst vor Beginn deiner Reise?
Enttäuscht zu werden. Ich hatte so viel Hoffnung in das Unbekannte und das Schicksal gesetzt, das ich glaube ich am meisten Angst hatte vom Leben enttäuscht zu werden, dass ich von den Menschen nicht gut behandelt werden würde, dass ich keine Wellen finden würde. Gedanken wie zu sterben oder krank zu werden, waren eher sekundär.
7. Du hast mal in einem Interview geäußert, dass es dir tierisch auf den Sack geht, dass Menschen sich nicht mehr trauen ihre Träume zu artikulieren, weil sie andere Menschen dafür belächeln. Du hast gezeigt, dass deine Träume in Zukunft keiner mehr belächeln sollte. Welchen Traum setzt Carlo Drechsel als nächstes in die Tat um?
Als ich vor kurzem mit der Idee ankam, als Legastheniker, ein Buch zu schreiben, wurde ich auch wieder belächelt, die meisten Menschen scheinen es immer noch nicht verstanden zu haben. Heute steht es mal vor und mal neben Barbaren Tage in diversen Onlineshops.
Auf meinen Vorträgen sieht man unter anderem einen ersten Vorgeschmack eines Projekts, welches ich mit O’Neill dieses Jahr angefangen habe, begleitet von einem Deutsch-Angolanischen Kamerateam, ging es mit meinem Angolanischen Brudi Bruno aka Bruno Famosos auf Wellenjagd und in sein Heimatdorf Cabo Ledo, wo es wohl nächstes Jahr wieder hingeht … das wäre also das nächste Ding.

8. War es deine Intention über deinen Trip ein Buch zu schreiben oder war das spontan?
Der Trip war ja quasi spontan, und ich hatte weder Instagram noch ein Smartphone dabei. Also Nein… haha … so einer bin ich nicht.
9. Hättest du damit gerechnet einen Verleger zu finden?
Auch wenn mir Schreiben und Lesen schwerfällt, bin ich relativ wortgewandt und auch die Geschichte hat es in sich, von daher war ich relativ zuversichtlich, es zu schaffen. Womit ich nicht gerechnet hätte, dass sich der Verlag bei mir meldet. Ich war letztes Jahr für mehrere Monate zurück in Angola und schrieb an meinem Manuskript, als sich teNeues bei mir meldete. „Ob ich nicht ein Buch schreiben wolle?“
10. Warum liest du nicht in München?
Kommt denke ich im Januar, es ist schwierig Locations zu finden daunten. Falls jemand was hat, einfach melden.
11. Hast du Mik Fannings Welle gefunden?
Ich kannte die Welle schon lange, auch wenn ich, als ich das Video gesehen habe, an eine andere Welle denken musste, die der besagten Welle sehr ähnlich ist. Gute Freunde von mir Surfen dort regelmäßig, es als Mick Fannings Welle zu bezeichnen ist also ein bisschen over the top. Soweit ich weiß wurde sie ihm auch gescouted, anyway… es gibt da ein paar derbe Gerüchte zu der Nummer.

13. Du hast Anfangs einen Reisepartner gesucht. Wieso ist niemand mit dir mit?
Frag mich nicht, ich glaube viele hatten einfach Schiss und fanden die laissez faire Herangehensweise von mir nicht so toll. ;-)
14. Welches afrikanische Land hatte für dich die besten Surfbedingungen?
Welche deiner drei Töchter hast du am liebsten? Kann ich mich wirklich nicht entscheiden…. !
Carlo befindet sich momentan auf Deutschlandtour und liest in verschiedenen Städten aus seinem Buch “Insight Africa”. Wir können euch wärmstens empfehlen den deutschen Mungo Park mal persönlich kennenzulernen. Die Tourdaten mit Orten findet ihr auf Carlos Webseite unter https://carlodrechsel.com/tickets/
Auf Amazon könnt Ihr Euch sein Buch kostengünstig bestellen. Entweder gebunden oder für die Nerds auch als digitales E-book.
Checkt auch unbedingt mal sein Instagram. Lohnt sich.