Surfen ist schwul

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Surfen ist schwul – Victor Orban macht seit seiner Amsteinführung Politik befeuert durch Ressentiments gegen Minderheiten. Nun hat er dem ganzen die Krone aufgesetzt und in seinem Gesetztesentwurf gegen Homo-und Transsexualtität beides auf eine Ebene mit Kindesmissbrauch gestellt.

Leider hat eine stark ausgeprägte Homophobie auch im Surfen Tradition, in einer Szene, die für sich beansprucht besonders liberal und offen zu sein. Dem kalifornischen Künstler Stephen Millner war die Machovergangenheit des Surfsports schon lange ein Dorn im Auge und er hat die Geschichte mit seinem Kunstprojekt „A spiritual good time“ eine neue, homosexuelle Surfvergangenheit erschaffen. Wir haben mit Millner über toxische Männlichkeit in Lineups, Urheberrechtsverletzungen und Outingängsten am Land gesprochen.

Surfen ist schwul
Millner musste erst seine Heiat verlassen, um den Mut zum Outing zu finden.

Du hast vor einiger Zeit zu Protokoll gegeben, dass du mit dem Surfen angefangen hast, weil du von der Machokultur fasziniert warst, die in der Surfszene herrscht. Hat dich die offen zur Schau gestellte Homophobie der Surfszene nicht auch ein wenig abgeschreckt?

Ich denke das in diesem Kontext die Entscheidung, überhaupt mit dem Surfen anzufangen, das Wichtigste war. Ich bin in einer kleinen Bauernstadt am Ende von Long Island aufgewachsen, ein Coming Out wäre in diesem Setting undenkbar gewesen für mich. Es hat sich am schlauesten angefühlt, diesen Teil meiner Identität so lange zu unterdrücken und mein Leben als homosexueller Mann erst dann offen zu leben, als ich weit genug aus diesem Ort entfernt war und mein Lebensmittelpunkt woanders war. Ich bin snowboardend und skatend aufgewachsen, der Weg zum Surfen war also kein großer Schritt. Haben mich Surfer am Anfang eingeschüchtert? Ja. Ob mich der Sexismus und die Homophobie der Szene angewidert hat? Keine Frage! Es hat mich in gewisser Weise davon abgehalten, enge Beziehungen mit Menschen einzugehen, die ich aus dem Lineup kannte, allerdings konnte es mich nicht davon abhalten, einen Sport auszuüben, den ich sehr genoss.

Surfen ist schwul

Mit deinem Projekt “A spiritual good Time”   Wolltest du einen Dialog zwischen der  LGBTQ+ Community und der Surfszene anstoßen. Du hast gehofft, das du durch dein Projekt auch andere Minderheiten erreichst, die in der Surfwelt unterrepräsentiert sind: Schwarze und Frauen. Wurde die Hoffnung zur Realität?

Mir ging es am Anfang vor allem um die fehlende Präsenz von Randgruppen in Surfmedien durch die Geschichte hinweg. Klar gab es immer wieder kleine Lichtblicke, aber wenn man sich das Gesamtbild anschaut gibt es nicht besonders viele Beispiele von BIPOC oder LBGTQ+ Redakteuren oder Content Creators, hier muss sich unbedingt was ändern, wir leben im 21 Jahrhundert. Weil ich eine historische Betrachtung wollte, habe ich vor allem mit Surfmagazinen vor den 90ger Jahren gearbeitet, ich habe die Bildarbeit und den Journalismus angefangen zu analysieren.  Meine Arbeit wurde nun in verschiedenen Magazinen publiziert und ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass sich die Szene mit großen Schritten für mehr Diversität und Inklusion öffnet. Hierzu haben allerdings auch eine Vielzahl an Organisationen wie „Color the Water“, Queer Surfclub, Textured Waves, Waves Wahines, Surfrider LA, Dream Team Society und viele andere beigetragen. Communities wie diese braucht die Welt gerade!

Warum gibt es so viel toxische Maskulinität in Lineups?

Ich bin der Meinung, dass die traditionelle Idee der Surfkultur lange überholt ist und mal ordentlich durchgeschüttelt gehört. Localism ist im Grunde aus nichts anderem als toxischer Männlichkeit heraus entstanden. Und um Hass im Wasser zu ernten, muss man nicht unbedingt ein Mann sein. Jeder Surfer hat solche Situationen entweder bezeugt oder war selbst der Adressat von zornigen, aggressiven Locals. Und hier muss man sich die Frage stellen, was die Überwachung eines Surfspots einer Community bringt? Dazu gibt es verschiedenste Meinungen, jede hat ihren Platz; aber es ist ein schmaler Grad zwischen „bis hier hin ist es Ok“ bis hin zu „jetzt wird es gefährlich und dumm“. Und am Schluss ist es ja nicht schwer sich richtig zu verhalten: respektiere die Älteren, den Break und das Meer. Mir hat das keiner gelernt, ich habe mir das Wissen angelesen und abgeschaut. Achte auf dein Umfeld, paddle raus, verhalte dich am Anfang defensiv, verstehe den Spot, den du mit anderen teilst. Aber um auf toxische Männlichkeit zurückzukommen: es ist eine Kultur die um Verlustangst entstanden ist, Männer glauben sie brauchen eine hierarchische Struktur weil sie eben Männer sind. Ich glaube es ist an der Zeit, dass die Szene im Plenum gegen Surfer vorgeht, die im Wasser andere mobben. Egal wie hoch sie in der Hierarchieleiter stehen. Hass hat keinen Platz im Surfen, jeder hat Respekt verdient. Wenn jemand neu im Lineup ist und andere Leute gefährdet, kann man das klären, ohne einer Partei den Tag zu versauen.

Surfen ist schwul

Mit deinem Projekt wolltest du auch den winzigen Gesellschaftsauschnitt kritisieren, der in alten Surfmagazinen abgebildet wurde: weiße Männer. Aber genauso wenig kommen in deinem Kunstprojekt Transgender oder Schwarze vor. Hast du das mit Vorsatz gemacht?

Surfen ist schwul
Eine künstlich geschaffene Vergangenheit! Hier muss man aufs Detail achten!

Ja, ich habe es extra so gehalten. Ich habe mich der gleichen Stilmittel bedient wie die alten Magazine,  mit einem mitschwingenden Querverweis auf die Absurdität des Ganzen. In allen Publikationen, die ich mir angeschaut habe gibt es eigentlich so gut wie keinen Inhalt von oder über BIPOC, Queer oder Transgender Männern oder Frauen.

Du hast bereits existente Fotos rekontextualisiert, in einen anderen Zusammenhang gebracht. Gab es hier Probleme mit Urheberrechtsverletzungen?

Das ist meine Lieblingsfrage und sie kommt immer von Surfern. Es ist wohl eine der ersten Lektionen die man auf einer Kunstschule lernt: Readymade Art, eine Kunstform die das erste mal von Marcel Duchamp als solche benannt wurde, ein weiterer Anhänger wäre Andy Warhol, Richard Prince, Sherry Levine oder Deborah Kass um nur einige wenige zu nennen. Ich bediene mich ja nur an kleinen Bildauschnitten und bringe sie in einen komplett anderen Kontext. Die meisten von mir verwendeten Photos waren Werbefotos, auf die die Photographen ihre Rechte verkauft haben, meistens wurden sie als Photographen nicht einmal genannt. Ich bin aber zu jeder Zeit transparent damit umgegangen, das die Fotos nicht aus meiner Feder stammen, sondern nur die Rekomposition. Aber oft suchen Menschen energisch nach Fehlern und achten nicht auf die Arbeit die hinter sowas steckt und auf die Details. Ein Surfer sprach mich auf ein Werk von mir an und meinte er kennt die Originalaufnahmen meiner Arbeit aus einem Surfmagazin. Witzigerweise waren es in Wirklichkeit Fotoschnipsel aus einem Hardcore Gaymagazin. Um abzuschließen: Nein, ich hatte keine Probleme mit Urheberrechtsverletzungen.

 

Warum hast du dich für das Stilmittel der Rekontextualisierung entschieden und nicht eigene Fotos erstellt?

In meiner ersten Planung wollte ich die Fotos für das Projekt selber schießen und Archive durchforsten. Aber Ich entschied mich für den Weg der Rekontextualisierung und wusste das „A Spiritual Good Time“ geliebt und gehasst werden würde, was eine großartige Reaktion auf ein Kunstprojekt ist. Ich arbeite momentan am nächsten Projekt wo ich… haltet euch fest, meine eigene Kamera verwende.

Surfen ist schwul

Homosexuelle Sportler tauchen in diesen Tagen so oft wie nie zuvor in den Medien auf, allerdings geht es meistens um ihre Outing Traumata, selten geht es um die sportliche Leistung. Glaubst du dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird und wir vermehrt homosexuellen Sportler in normalen Sportkontexten begegnen?

Ja, da habt ihr sicher Recht, es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu geben, Traumata von Homosexuellen mit der Öffentlichkeit zu teilen, das bringt viele Clicks. Aber es gibt nun auch vermehrte Berichterstattung in normalen Kontexten, es läuft an. Und falls sich irgendwer vor den Kopf gestoßen gefühlt hat über die Medienpräsenz der LGBTQ+ im Monat Juni, der sollte sich besser anschnallen: das war keine Eintagsfliege. Denn wenn wir das ganze Jahr über mit Anti-Gay und Anti-Trans Kommentaren vollgespamt werden, sollte es auch normal werden, dass wir in „normalen“ Kontexten ganzjährig in den Medien auftauchen.Surfen ist schwul

 

Deine Kunst ist sehr subtil und lässt viel Spielraum für Interpretationen. Wieso hast du nicht einen provokanteren Ansatz gewählt?

Ich war noch nie der „In your Face“ Typ, meine Kunst soll das Unterbewusste ansprechen, zum Nachdenken anregen. Als das Surfer Magazine vor einem Jahr einen Artikel über „A Spiritual Good Time“ veröffentlichte, ging das Ding viral. Schaut euch doch mal die Kommentare auf Instagram an und dann stellt euch vor, ich hätte einen „in your face“ Weg gewählt. Die Surfszene wäre nicht bereit gewesen dafür. Aber vielleicht werde ich das bald mal machen.

Wie war das Feedback auf dein Buch? Wurdest du auch angefeindet?

Aus der Kunstszene waren die Reaktionen durch die Bank positiv. Die negativen Kommentare kamen größtenteils von Surfern und Internet Kriegern, die sich von meiner Arbeit in ihrer kleinen Gedankenwelt von meiner Agenda provoziert fühlten und ihren Sport dadurch gefährdet sahen. Da kamen Kommentare wie „woke“, politisch korrekt bis hin zu „shoving gayness down my throat“.

Welche Kämpfe müssen noch ausgefochten werden, bevor die LBGTQ+ Community als vollwertiges Mitglied der Surfcommunity bzw. der Sportcommunity gelten kann/wird?

Jeder Surfer weiß, dass die Lineups bereits sehr viel diverser besetzt sind als noch vor einem Jahrzehnt. Ich hoffe das Homosexualität auch den Weg in die WSL findet, sich in großen Surfmedien in normalen Kontexten abspielt und das die LGBTQ+ Community Teil der Surfplattform wird, auch außerhalb des Monats Juni normalisiert. Es gibt gute Magazine, die dieses Jahr auf den Markt kamen und auf die wir ein Auge haben sollten: Emocean und Afro Surf von Mati Wata. Ich persönlich bin stolz, dass ich weiter mit Quiksilver zusammenarbeiten werde und sie meinen Projekte einen solch hohen Stellenwert einräumen. Wir haben gerade unsere „Pride“ Kampagne abgeschlossen in Zusammenarbeit mit dem Queer Surf Club, Bennys Club und meiner Kunst. Haltet die Augen offen. Es kommt noch mehr.

 

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